Mittwoch, 15. August 2018

Dörrobstmotten und Schädlingsprävention

In meiner Jugend hatten wir eine Käferinvasion in der Küche. Seitdem belächel ich die Wut, alles akribisch einzudosen nicht mehr, sondern empfinde sie als höchst sinnvoll. Die Larven der Käfer hatten sogar meine Schokolade infiziert, das war nicht witzig.

In meiner eigenen Küche war mir die klassische Plastikdosenmarke meiner Mutter natürlich zu teuer und generell war das auch alles zu anstrengend. Bis ich eines Tages einen Kokon an der Roggenmehltüte fand. Nach kurzer Recherche entschied ich mich für ein schwedisches Plastikdosensystem und hatte da drin auch schon 2x Käferplage - die blieb aber immer brav in ihrer Dose und konnte nichte weiter infizieren. Ich war zu 50% durchgedost, der Rest war in mit Clips verschlossenen Plastikbeuteln. Bis zu dem Tag der Raupe. .... DÖDÖÖÖÖM...

Ich glaube, es begann damit, dass ich komische dreckige Fäden in einer Mandeltüte fand und eine tote Motte in meiner Chilimühle. Danach ging ich dem nach.
"Machs wie deine Geschwister und beiße die Plastiktüte einfach durch."

Mutter Dörrobstmotte hat es erkannt. Denn mein System war anfällig und höchst fehlerhaft: Die Raupen der Dörrobstmotte haben die Superkraft, sich durch Plastikfolie durchzubeißen und besitzen sogar zwei Bakterienstämme im Bauch, die Polyethylen verstoffwechseln können. 

Alles, was nicht in den schwedischen Dosen war, war jetzt potentiell belastet. Meine Suche führte mich durch all meine Vorräte, überall fanden sich seltsame Fäden, welche von den Raupen gesponnen wurden. Kotbröckchen, ganze lebendige Raupen, lebendige und tote Falter. Ich durchforstete meine Mandelvorräte - alle infiziert. Leinsamen, Rosinen, getrocknete Aprikosen, Reis, sogar das Naschfach war befallen und diverse Schokoladen angekaut. Neckisch schauten mich die kauenden Raupen an. 

Wo hatte das seinen Ursprung? Ich hatte sogar 2 Quellen zurückverfolgen können: Einen 4.5 kg Sack Reis und eine Tüte Nuss-Rosinenmischung.



Im Sack Reis befanden sich die meisten Raupen und diverse verstorbene Falter. Die Raupen hatten sich letztendlich von innen nach außen gebohrt und ließen auch die adulten Falter raus, um überall in meiner Küche ihre Eier abzulegen. 


Ganz Forschergeist fing ich ein paar Raupen ein und sperrte sie zum Beobachten und lernen in eine Dose mit genug Futter. Die Kleinen haben die Angewohnheit, nach oben zu laufen. In der Tat fand ich sehr viele an der Decke, immer wieder las ich Raupen an der Küchendecke auf und auch Falter in der gesamten Wohnung. Nachdem die Raupen groß genug sind, suchen sie etwas entfernt vom Futter interessante Verpuppungsplätze auf. Das sind in Wohnungssprache: Hinter den Küchenschränken, unter der Lampenverkleidung und hinter Bilderrahmen. Heißt aber auch, wenn man seine ganze Wohnung zu 100% Raupensicher gemacht hat, findet man die Falter noch bis zu 6 Monate danach regelmäßig an der Decke. Die sind zum Glück träge und lassen sich einfach fangen. Direkt an der Decke breit schlagen ist keine gute Idee, das Falterpulver ruiniert die Tapete. 

Ich habe breiten Zugriff zu allerhand Bioziden, aber ich habe mich dagegen entschieden. Generell aber eine Übersicht, wie Biozide gegen diese Insekten funktionieren: 

Gegen die Falter gibt es Kontaktgift, welches auf die Oberflächen aufgetragen wird, auf die sie sich vorzugsweise setzen. Sie nehmen es mit den Beinen auf und innerhalb weniger Minuten legt es das Nervensystem lahm, die Tiere fallen von der Decke und verenden. Problem bei diesen Motten: Sie setzen sich überall hin, man braucht also sehr viel Gift. In der eigenen Wohnung ist die ganze Decke mit Permethrin und Ähnlichem einzustreichen nicht nur aufwändig, sondern auch dem Wohnklima absolut nicht zuträglich.

Gegen die Raupen wirkt ein Chitinsynthesehemmer, welcher im Idealfall mit einem Kontaktgift kombiniert ist. Die Raupen können sich so nicht zu Motten entwickeln. Dieses Gift muss dann aber auch wieder überall hin, wo die Raupen sind. Also innerhalb der Küchenschränke und außen an die Dosen. Gift mit Lebensmittelkontakt? Halte ich auch hier dem Wohnklima nicht für zuträglich.

Mottenfallen über Pheromone fangen nur einen kleinen Teil der fertigen Motten und bekämpfen die Raupen nicht. Die sind als Qualitätskontrolle nett, aber nicht wirksam und können im schlimmsten Fall sogar neue Motten von draußen anlocken.

Ich habe mich daher für das Aushungern entschieden. Alles sicher verpacken! 



Das bedeutet, alles, was irgendwie trocken ist, in Gläser und verlässliche sehr dicke Plastiksysteme zu sperren. Dabei habe ich gemerkt, dass das abgebildete schwedische Plastiksystem nur eine Verlässlichkeitsrate von 95% hat. Die Glassysteme auf den Fotos hatten bisher eine Sicherheit von 100%. Was passiert? Die Schütte der Plastikboxen wird durch eine Gummilippe versiegelt. Besonders junge kleine feine Raupen können dazwischen kriechen und anfangen an der Gummilippe zu kauen. Damit erhalten sie Eintritt und vernichteten so meinen Leinsamenvorrat.

Aber ich habe auch gemerkt, dass das akribische Einglasen aller Dinge im Haushalt einen schönen Nebeneffekt hat, der mir sehr gut gefällt: Keine Boxen in Ecken mehr mit chaotisch eingefüllten Tüten, welche man kaum mehr zuordnen kann. Jedes Lebensmittel hat seinen Platz. Was keinen Platz hat, muss sofort gegessen werden und verstopft die Küche nicht. So bekomme ich seit dem Mottenausbruch nachhaltig meine Vorräte in den Griff, den totalen Durchblick und auch meine Süßigkeiten sind perfekt geordnet und davor sicher, Überhand zu nehmen.



Und was ist eigentlich mit den infizierten Lebensmitteln passiert? Die Raupen verschmutzen die Lebensmittel leider sehr nachhaltig. Einige Mehle habe ich gesiebt, denn die Raupenfäden bilden Klumpen und lassen sich so abtrennen. Ich habe darauf geachtet, keinem Besuch infizierte Waren zu geben, das habe ich dann schon selbst gegessen. Die Mandeln waren leider komplett zerstört, die habe ich entsorgt. Auch die Leinsamen waren so heftig verschmutzt, dass nichts mehr ging. Den Reis habe ich zu 50% sortiert und nach dem Aussortieren von gefühlt 100 Raupen (es waren aber mindestens 50) im Gefrierfach abgetötet und gegessen. Lebensmittelverschwendung kann ich nicht leiden, aber zu starke Verschmutzung muss man als Mikrobiologe leider auch einmal so betrachten: Die Tiere züchten allerhand Keimsorten in ihrem Bauch, von denen ich nicht ausgehen muss, dass sie mir bekommen. Daher muss ich auch nicht davon ausgehen, dass sie sich als Lebensmittelzusatz eignen. In anderen Ländern werden Insekten zwar gegessen, aber in anderen Ländern können die Einwohner normal ihr Leitungswasser trinken und dabei passiert nichts. Tu ich das als Europäer, bekomme ich Montesumas Rache und sitze mindestens 5 Tage auf der Toilette fest.


Schutz vor Schädlingen ist wichtig, denn die versauen einem nicht nur das Essen, sondern auch nachhaltig die Laune. Sie fangen an einen zu zermürben. Man fängt an von ihnen zu träumen. Auch nach Monaten findet man immer wieder Falter und möchte langsam nur noch weinen. Daher rate ich dringend dazu: Tut es wie Muttern und verstaut alles spießig in Vorratsbehältern. Und vor allem in welchen, die auch wirklich dicht sind, testet die auf Herz und Nieren.
Lasst euch nicht von den Motten beherrschen. Es kann jeden treffen.

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